Im Bauland haben die Bäuerinnen und Bauern auf den weniger tiefgründigen, steinigen Böden, auf denen Winterweizen nicht mehr recht gedeihen wollte, seit alters her Dinkel angebaut, diesen unreif geerntet und später gedarrt (getrocknet). In Verbindung mit der dort beheimateten Sorte Bauländer Spelz sind dies die besonderen Merkmale des Fränkischen Grünkerns.
Um das kulinarische Kulturgut der Bauländer Bauern zu bewahren, hat die Slow Food Stiftung den Fränkischen Grünkern 2010 in die internationale Presidio-Gemeinschaft aufgenommen und in Zusammenarbeit mit der Vereinigung fränkischer Grünkernerzeuger das Presidio Grünkern gegründet „Die Zukunft des Grünkerns liegt auch in der Vermarktung. Touristische Angebote rund um dieses regionale Lebensmittel und der kreative Einsatz in der Gourmet- und Regionalküche verbessern den Absatz und schaffen zudem Verbundenheit mit der Genießerregion“, betonte Reimer abschließend.
Hintergrund: Früheste historische Erwähnungen des Grünkerns datieren bis ins 17. Jahrhundert und sind in Kellereirechnungen oder in dörflichen und kleinstädtischen Zins- und Gültbüchern verzeichnet. Bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Fränkischer Grünkern im badischen Bauland angebaut und als „gröner Kern“ gehandelt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts fand zunehmend ein gewerblicher Handel von Grünkern statt. Eine wichtige Voraussetzung war die Entstehung der Technik des Grünkerndarrens, die Ende des 19. Jahrhunderts im geografischen Gebiet als Anpassung auf die geo-grafischen Gegebenheiten entstand. Das Know-how zum Anbau und der Herstellung von Grünkern wurde von Generation zu Generation weitergegeben und spielt eine bedeutende Rolle für die späteren Eigenschaften des Erzeugnisses. Das denkmalgeschützte Ensemble der Grünkerndarren entlang eines Feldweges am südlichen Ortsrand in Walldürn – Altheim (Neckar-Odenwald-Kreis) belegt die Bedeutung, die dem Grünkern für die örtliche Bevölkerung in der Vergangenheit zukam. Von rund 90 Grünkerndörfern der Blütezeit um 1870 bestehen aktuell noch etwa 15.
2013 steht im fränkischen Bauland bei 30 landwirtschaftlichen Betrieben auf rund 100 Hektar Dinkel zur Ernte und zur Weiterverarbeitung zu Grünkern auf dem Halm. Fränkischer Grünkern wird in der Region und darüber hinaus von der gehobenen regionalen Gastronomie verwendet. Zahlreiche durch Generationen weitergegebene Grünkernrezepte, das Älteste aus dem Jahr 1821, belegen die Bedeutung für die Fränkische Küche. Aktivitäten rund um das „Gold des Baulandes“, wie z.B. das seit
1978 bestehende traditionelle Grünkernfest in Kupprichhausen, bereichern das kulturelle Leben der Region. Ein weiterer Höhepunkt ist der Grünkernradweg des Tourismusverbands Liebliches Taubertal, der mit einer Gesamtlänge von etwa 100 km geradezu ideale Vernetzungsmöglichkeiten zu weiteren überregionalen Radtouren bietet und bestens in das Radwegesystem der Ferienregionen integriert ist. In Baden-Württemberg existieren neben dem Fränkischen Grünkern noch drei weitere Presidi (italienisch für Schutzräume): die Alblinse, der Birnenschaumwein aus der Obstsorte Champagner Bratbirne und der Weideochse vom Limpurger Rind.
Seit 20 Jahren besteht im Rahmen der „EU-Herkunftsschutz-Verordnung“ ein Schutzsystem für geografische Angaben und traditionelle Spezialitäten bei Agrarprodukten und Lebensmitteln. Kerngedanke ist, Produkte zu schützen, die aufgrund ihrer Geschichte, Rezeptur oder Qualität als Original anzusehen sind. Mit den drei EU-Gütezeichen - „geschützte Ursprungsbezeichnung“ (g.U.), „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A.) und „garantiert traditionelle Spezialität“ (g.t.S) - will die Europäische Kommission die Vielfalt der landwirtschaftlichen Produktion fördern, die Produktbezeichnungen gegen Missbrauch und Nachahmung schützen sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher über die besonderen Merkmale der Erzeugnisse informieren. Aktuell sind in der EU über 1.100 Produktbezeichnungen aus Mitgliedsstaaten und Drittländern geschützt.
Die Schutzgemeinschaft Fränkischer Grünkern ist ein Zusammenschluss von derzeit 55 Erzeugern und 5 Verarbeitern des vorliegenden Produktes in der Rechtsform des eingetragenen Vereins.
In Baden-Württemberg sind derzeit - Mineralwässer ausgenommen - insgesamt 13 Produktbezeichnungen geschützt:
* Geschützte Ursprungsbezeichnungen: Allgäuer Bergkäse, Allgäuer Emmentaler
* Geschützte geographische Angaben: Blattsalate von der Insel Reichenau, Feldsalate von der Insel Reichenau, Filderkraut/Filderspitzkraut, Gurken von der Insel Reichenau, Schwäbische Maultaschen, Schwäbische Spätzle/Knöpfle, Schwäbisch-Hällisches Qualitätsschweinefleisch, Schwarzwaldforelle, Schwarzwälder Schinken, Tettnanger Hopfen, Tomaten von der Insel Reichenau.
Text und Foto: POSITIV-MEDIEN (PR-LMBW * Waldemar Herzog)
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